“Es geht um Zusammenarbeit auf Augenhöhe” – Restoratorin Ursula Fuhrer über interdisziplinäres Projektmanagement

HERITAGE-PRO: Die Erhaltung des Kulturerbes erfordert die Zusammenarbeit vieler verschiedener Disziplinen. Haben Sie in Ihrer langjährigen Praxis tatsächlich Veränderungen im Management der damit verbundenen Prozesse beobachtet oder handelt es sich immer noch um stark hierarchisch organisierte Umsetzungen?

Ursula Fuhrer: Beides, das hängt immer von den beteiligten Personen und deren persönlichem Hintergrund, Einstellungen und eigenen Gewichtungen ab. Insgesamt ist es in den Umsetzungen stark hierarchisch organisiert, was bei denjenigen, die schon länger auf den Baustellen der Projekte zusammenarbeiten, manchmal anders verlaufen kann – hier gibt es Absprachen auf Augenhöhe und in direkter Kommunikation. Gleiches gilt für einige Mitarbeiter*innen von Institutionen, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten.

Allerdings fehlt mir bei den Projektplaner*innen seit Jahrzehnten das Grundwissen über die Planung der Abfolge der Umsetzungsschritte. Das hat zum Teil gravierende Auswirkungen auf klimatische Bedingungen, Staub- und Schmutzentwicklung etc. Restaurierungen von mobiler Kunst (die vor Ort bearbeitet wird) sollten immer das letzte Werk vor der Fertigstellung sein. Es ist z.B. kontraproduktiv, wenn in dieser Zeit der Boden abgeschliffen wird und Schlitze für die elektrische Anlage geöffnet und dann wieder verputzt werden, was in meiner beruflichen Laufbahn überraschend oft der Fall war.

Wenn unser Teil der Arbeiten auf der Baustelle eher am Ende des Restaurierungsprozesses steht, kann das aber auch bedeuten, dass wir sehr flexibel sein müssen, da unser Einsatz auf der Baustelle leicht um einige Monate verschoben werden kann, wenn es unerwartete Probleme mit früheren Arbeiten gibt und es zu Verzögerungen kommt. Wir sind daher erfahren in flexibler Terminplanung…

HERITAGE-PRO: Sie haben viele Restaurator*innen unterrichtet und sie auf ihrem beruflichen Werdegang begleitet. Werden die interdisziplinären Anforderungen in den universitären Aus- und Weiterbildungsangeboten ausreichend berücksichtigt?

Ursula Fuhrer: Wenn ich auf meine eigene Ausbildung zurückblicke, wurde dies nicht berücksichtigt, zumindest nicht im Studium. Da jedoch vor meinem Studium ein 32-monatiges Grundpraktikum erforderlich war (heute ist es auf 12 Monate verkürzt), konnten meine Kommiliton*innen und ich in dieser Zeit zumindest einige Prozesse bei der Restaurierung von Innenräumen großer Kirchen bzw. im Museumsalltag kennen lernen und Erfahrungen sammeln.

Wenn Studierende ein Praktikum in unserem Atelier absolvieren, sind sie an der Arbeit vor Ort in Kirchen beteiligt, und wir weisen immer wieder auf für uns problematische Zustände hin. Sie erleben auch schnelle und direkte Absprachen mit anderen Gewerken.

Soweit ich über die Lehrinhalte der einzelnen Kurse informiert bin, spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Grundausbildung noch immer keine große Rolle.

HERITAGE-PRO: Wenn Sie sich eine gute Zusammenarbeit bei Projekten zur Erhaltung des kulturellen Erbes wünschen könnten, was stünde ganz oben auf Ihrer Wunschliste?

Ursula Fuhrer: Noch bevor eine solche Maßnahme ergriffen wird, gibt es ein Treffen und eine Vereinbarung mit allen Beteiligten. Das erste Treffen sollte nicht vor Ort und kurz vor Beginn der Arbeiten stattfinden. Auf jeden Fall: Zusammenarbeit auf Augenhöhe!

 

Ursula Fuhrer ist diplomierte Restauratorin. Sie studierte Konservierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen am Institut für Technologie der Malerei der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (1978-82). Danach arbeitete sie als Konservatorin am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt und war von 1988 bis 1999 Leiterin der Restaurierungsabteilung am Deutschen Historischen Museum in Berlin.

Seit 2000 ist sie selbständig in einer Ateliergemeinschaft in Stuttgart tätig.

Sie hatte zahlreiche berufliche Auslandsaufenthalte, u.a. in Rom und auf den Kanalinseln Jersey. Ihre Lehrtätigkeit führte sie an die Hochschule der Künste in Berlin, an die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und an die Tainan National University of Arts in Taiwan.

www.restaurierungszentrum-stuttgart.de

(Bildnachweise: UF)

 

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